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Misyār-Ehe vs. Mutʿa-Ehe
Das Scheinargument:
Die Shīʿa behaupten, dass Zawāj al-Misyār mit Zawāj al-Mutʿa (Zeitehe) gleichzusetzen sei.
Antwort auf das Scheinargument:
Erstens: Zawāj al-Misyār ist eine besondere Form der Ehe im islamischen Recht, bei der die Frau freiwillig auf bestimmte Rechte wie Unterkunft, Unterhalt oder das Recht auf gleichberechtigte Zeitverbringung mit dem Ehemann verzichtet.
Zweitens: Definition und Merkmale von Zawāj al-Misyār
Zawāj al-Misyār ist eine Ehe, die alle wesentlichen Elemente eines islamisch gültigen Ehevertrags umfasst, insbesondere:
- Zustimmung beider Ehepartner
- Anwesenheit eines Vormunds (Waliyy) für die Frau
- Anwesenheit von zwei rechtschaffenen Zeugen
- Zahlung der Mitgift (Mahr)
Jedoch verzichtet die Frau in diesem Ehevertrag auf bestimmte Rechte, insbesondere:
- Das Recht auf eine eigene Unterkunft
- Das Recht auf regelmäßige finanzielle Unterstützung (Nafaqa)
- Das Recht auf eine festgelegte Zeitverbringung mit dem Ehemann
Drittens: Historische und gesellschaftliche Ursachen für das Aufkommen von Zawāj al-Misyār
Mehrere Faktoren haben zur Entstehung und Verbreitung dieser Eheform beigetragen:
- Wachsende Zahl unverheirateter Frauen: Aufgrund hoher Mitgiftforderungen und steigender Lebenshaltungskosten fällt es vielen Männern schwer, eine reguläre Ehe einzugehen.
- Soziale und familiäre Verpflichtungen: Viele Frauen müssen in ihren Herkunftsfamilien bleiben, um Angehörige zu versorgen.
- Männer mit Reiseverpflichtungen: Aufgrund ihrer beruflichen Reisetätigkeit können manche Männer nur Fernbeziehungen führen. Daher legen sie von Anfang an fest, dass sie nicht regelmäßig bei ihrer Ehefrau sein können.
- Vermeidung gesellschaftlicher Probleme: Einige Männer wählen Zawāj al-Misyār als Möglichkeit, eine Mehrehe einzugehen, ohne auf gesellschaftliche Hürden zu stoßen.
Viertens: Die Rolle des Vormunds (Waliyy) und die Bedingungen der Ehe
Im islamischen Recht ist der Vormund der Frau eine zentrale Figur im Eheschluss. Der Prophet Muḥammad ﷺ sagte: „Es gibt keine Ehe ohne einen Vormund und zwei rechtschaffene Zeugen.“1
Die Bedingungen für einen gültigen Ehevertrag sind:
- Identifizierbare Ehepartner: Die Ehepartner müssen eindeutig benannt oder beschrieben sein.
- Zustimmung beider Parteien: Eine Ehe ohne die ausdrückliche Zustimmung der Frau ist ungültig.
- Anwesenheit eines Vormunds (Waliyy): Der Vormund handelt im besten Interesse der Frau.
- Zeugen der Eheschließung: Die Ehe muss öffentlich gemacht werden, um Missbrauch zu verhindern.
Fünftens: Zawāj al-Misyār bei den Shīʿa
Auch bei den Shīʿa ist Zawāj al-Misyār zulässig. Mehrere Shīʿa-Gelehrte haben diese Eheform in ihren Rechtsurteilen (Fatāwā) behandelt:
- Imam Jaʿfar aṣ-Ṣadīq sagte über einen Mann, der eine Frau heiratet und vereinbart, sie nur gelegentlich zu besuchen und ihr monatlich eine festgelegte Summe zu zahlen: „Es ist kein Problem damit.“2
- Der Shīʿa-Gelehrte aṭ-Ṭusī überlieferte eine ähnliche Aussage: „Ein Mann, der eine Frau heiratet und die Bedingung stellt, sie zu besuchen, wann er will, und ihr eine festgelegte Summe [als Mitgift] zahlt, begeht keine unerlaubte Handlung.“3
- Der Shīʿa-Gelehrte ʿAlī as-Sistānī erklärte: „Zawāj al-Misyār ist erlaubt, aber eine Klausel, die das Erbrecht ausschließt, ist ungültig.“4
- Der Shīʿa-Gelehrte Ṣādiq ar-Rawḥānī stellte klar: „Wenn die notwendigen Bedingungen für eine islamisch gültige Ehe erfüllt sind, ist sie erlaubt; andernfalls nicht.“5
- Der Shīʿa-Gelehrte Ṣādiq ash-Shīrāzī äußerte sich allgemein zu modernen Eheformen wie Zawāj al-Misyār: „Die Bezeichnung ist nicht wichtig, sondern nur die Gültigkeit des Vertrags nach islamischem Recht.“6
Sechstens: Widerlegung der Behauptung, Zawāj al-Misyār sei dasselbe wie Zawāj al-Mutʿa.
Einige Shīʿa-Gelehrte und Laien behaupten, dass Zawāj al-Misyār mit Zawāj al-Mutʿa (Zeitehe) gleichzusetzen sei. Diese Annahme ist jedoch falsch, da es mehrere wesentliche Unterschiede gibt:
- Dauer der Ehe: Zawāj al-Misyār ist eine unbefristete Ehe, die nur durch eine reguläre Scheidung (Ṭalāq) aufgelöst werden kann. Zawāj al-Mutʿa hingegen ist von vornherein zeitlich befristet und endet automatisch mit Ablauf der festgelegten Frist.
- Erbrecht und Scheidung: In Zawāj al-Misyār gelten alle rechtlichen Konsequenzen einer regulären Ehe, einschließlich Erbrecht, Scheidung und Wartezeit (ʿIdda). Bei Zawāj al-Mutʿa gibt es hingegen kein gegenseitiges Erbrecht, und eine Scheidung ist nicht erforderlich.
- Anwesenheit eines Vormunds und Zeugen: Zawāj al-Misyār erfordert die Anwesenheit eines Vormunds (Waliyy) und von Zeugen, während Zawāj al-Mutʿa ohne Waliyy und ohne Zeugen geschlossen werden kann.
- Maximale Anzahl an Ehefrauen: Ein Mann darf nach sunnitischem Recht maximal vier Frauen heiraten, selbst wenn dies über Zawāj al-Misyār geschieht. Bei Zawāj al-Mutʿa gibt es keine Begrenzung für die Anzahl der Frauen, die ein Mann gleichzeitig heiraten kann.
Daher ist es offensichtlich, dass Zawāj al-Misyār eine reguläre Eheform mit einigen Besonderheiten ist, während Zawāj al-Mutʿa eine nichtreguläre zeitlich befristete Ehe darstellt, die fundamental anders ist.
Siebtens: Fazit.
Zawāj al-Misyār ist eine besondere Form der Ehe. Sie ermöglicht es Frauen, verheiratet zu sein, während sie in ihren Familien verbleiben, und sie bietet Männern eine legale Möglichkeit, eine Ehe mit geringeren finanziellen Verpflichtungen einzugehen. Die Behauptung, dass Zawāj al-Misyār mit Zawāj al-Mutʿa gleichzusetzen sei, ist aus islamrechtlicher Sicht nicht haltbar.
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- Verzeichnet in Sunan Abī Dāwūd (Nr. 2085) und in at-Tirmidhī (Nr. 1101). ↩︎
- Al-Kāfī von al-Kulainī; Bd. 5, S. 402. ↩︎
- Tahdhīb al-Aḥkām von aṭ-Ṭusī; Bd. 7, S. 370. ↩︎
- Istiftāʾāt as-Sistānī: https://www.sistani.org/arabic/qa/0501/ ↩︎
- Istiftāʾāt ar-Rawḥānī: http://ar.rohani.ir/istefta-1070.htm ↩︎
- Masāʾil fī Bilād al-Gharb von Ṣādiq ash-Shīrāzī; S. 235-236. ↩︎